Zur Berechnung des Kindesunterhalts ziehen Gerichte regelmäßig die Düsseldorfer Tabelle heran. Die Tabellenbeträge gelten jedoch nur den allgemeinen notwendigen Lebensbedarf des Kindes ab, nicht jedoch zusätzlich anfallende Beträge für z. B. Klassenfahrten oder eine kieferorthopädische Behandlung. Unter Umständen können aber die hierdurch entstehenden Aufwendungen zum Teil als Sonder- bzw. Mehrbedarf vom Unterhaltspflichtigen verlangt werden.
Kindsvater verweigert Zahlungen
Nach der Scheidung ihrer Eltern lebten drei minderjährige Kinder bei ihrer Mutter. Die teilte sich das Sorgerecht mit dem Kindsvater, der regelmäßig Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle zahlte. Als das jüngste Kind zusätzlich Geld verlangte, kam es jedoch zum Streit. Der Vater weigerte sich, die Kosten für eine Klassenreise zu übernehmen sowie seinem 14-jährigen Sohn in 49 monatlichen Raten eine kieferorthopädische Behandlung für insgesamt ca. 3500 Euro zu sponsern.
Da nämlich die älteren Kinder dieselbe Schule besuchen und ebenfalls in der achten Klasse eine Skifreizeit unternommen haben, sei voraussehbar gewesen, dass auch der jüngste Sohn in der achten Klasse die Reise unternehmen wird. Die Mutter hätte die Kosten dafür somit vom Regelunterhalt absparen können. Im Übrigen sei er nicht rechtzeitig über die Klassenreise informiert worden und habe somit nicht mitbestimmen können, ob der Sohn mitfahren darf oder nicht.
Auch über die kieferorthopädische Behandlung sei er erst informiert worden, nachdem die Mutter mit dem Arzt den Behandlungsvertrag bereits abgeschlossen hatte. Ferner sei eine Therapie medizinisch nicht notwendig gewesen – auch bleibe unklar, warum sich die Mutter für eine neuartige Behandlungsweise entschieden habe, die von der Krankenkasse nicht gezahlt wird. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.
Kosten sind weder Sonder- noch Mehrbedarf
Das Amtsgericht (AG) Detmold wies sämtliche Ansprüche des Sohnes zurück: Der Vater musste zusätzlich zum Regelunterhalt keinen Cent für die Skifreizeit und die kieferorthopädische Behandlung zahlen.
Klassenfahrt
Die Kosten für die Klassenfahrt stellten nach Ansicht des Gerichts keinen Sonderbedarf gemäß § 1613 II Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar. Voraussetzung hierfür ist nämlich Unregelmäßigkeit – der Bedarf darf also für den Unterhaltsberechtigten nicht vorhersehbar gewesen sein – sowie eine außergewöhnliche Höhe, sodass der Regelunterhalt hierfür nicht ausreicht.
Vorliegend waren die Reisekosten nicht außergewöhnlich hoch. Die Mutter hätte daher den Teil der Kosten, den der Vater tragen muss, vom Tabellenunterhalt absparen können. Hierfür hatte sie auch genügend Zeit – schließlich war ihr seit Langem bekannt, dass ihr jüngster Sohn in der achten Klasse eine Skifreizeit unternehmen wird.
Zahnspange
Auch seinen Anteil an den Kosten für eine Spange musste der Vater nicht übernehmen. Für das Gericht war nämlich kein Mehrbedarf nach § 1610 BGB ersichtlich. Der muss regelmäßig fällig werden, notwendig sein und kann nicht aus dem Tabellenunterhalt gedeckt werden.
Eine kieferorthopädische Behandlung ist grundsätzlich zwar unvorhersehbar, weshalb die Kosten dafür in der Regel Sonderbedarf darstellen. Im vorliegenden Fall sollte der Vater aber den geforderten Betrag in 48 Monatsraten begleichen – die Kosten für die Spange stellten somit einen regelmäßigen und dauerhaft anfallenden Bedarf dar.
Allerdings hatte der Sohn nicht nachgewiesen, dass die Spange medizinisch indiziert, also notwendig gewesen ist. Im Übrigen war nicht ersichtlich, warum der Teenager eine Behandlung benötigt, die nicht von der Krankenkasse gezahlt wird. Im Normalfall zahlt die nämlich zunächst 80 Prozent der Kosten, sofern Standardbrackets verwendet werden, sowie nach plangemäßem Abschluss der Behandlung den Rest. Vorliegend erhielt der Sohn jedoch eine Zahnspange mit sog. programmierten Brackets, die nicht nötig, sondern nach Ansicht eines Sachverständigen lediglich „zwingend sinnvoll“ waren. Da die Mutter somit eigenmächtig eine kieferorthopädische Behandlung des Sohnes beschlossen hat, die medizinisch nicht nötig gewesen wäre, konnte sie nach Ansicht des Gerichts auch nicht verlangen, dass sich der Kindsvater an den Kosten einer Behandlung beteiligt, der er nie zugestimmt hat.
(AG Detmold, Beschluss v. 19.02.2015, Az.: 32 F 132/13)
Autorenprofil
Sandra Voigt
Assessorin, Redakteurin
Juristische Redaktion
anwalt.de services AG
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