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10 UF 171/14 – Keine gesteigerte Unterhaltspflicht bei Kindsbetreuung?

Erwerbsobligenheit
Bild: © michaeljung / depositphotos.com
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Sind die Kinder – etwa wegen Minderjährigkeit oder einer allgemeinen Schulausbildung – nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, müssen die Eltern regelmäßig alles dafür tun, um zumindest deren Mindestunterhalt sicherzustellen. Sie trifft daher eine gesteigerte Unterhaltspflicht. Haben sich die Eltern jedoch getrennt, stellt sich die Frage, ob der Unterhaltspflichtige seinem Sprössling trotzdem weniger bzw. keinen Unterhalt zahlen muss, wenn er dessen Geschwister betreut.

Hausfrau bestreitet Leistungsfähigkeit
Ein Vater verlangte von seiner Exfrau die Zahlung von Kindesunterhalt für ihren gemeinsamen Sohn, der bei ihm wohnte. Dessen Zwillingsschwester dagegen wohnte seit der Trennung der Eltern bei der Mutter und ihrem neuen Lebensgefährten. Die ausgebildete Friseurin, die jedoch nie in dem Beruf gearbeitet hat und vor der Geburt der Zwillinge stattdessen als Bürohilfe tätig geworden war, kümmerte sich derzeit um die Tochter sowie einen – aus der neuen Beziehung hervorgegangenen – Sohn. Obwohl deren Grundschule eine Ganztagesbetreuung anbot, übte sie keine berufliche Tätigkeit aus, sondern blieb zu Hause.
Sie gab daher an, nicht leistungsfähig zu sein und daher keinen Unterhalt leisten zu können. Schließlich betreue sie zwei minderjährige Kinder und ihr Ex zahle für seine Tochter ebenfalls keinen Unterhalt. Deren Vater dagegen behauptete, dass seine Exfrau durchaus als Bürohilfe oder im Gebäudereinigungshandwerk tätig werden könnte, eine Fremdbetreuung der Kinder sei schließlich gesichert. Nun erklärte die Mutter, aus gesundheitlichen Gründen nicht als Reinigungskraft arbeiten zu können. Ferner besitze sie keine Fahrerlaubnis, was jedoch im Gebäudereinigungshandwerk zwingend vorausgesetzt werde. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.

Mutter muss Unterhalt zahlen
Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig verpflichtete die Mutter zur Zahlung des Mindestunterhalts gemäß § 1603 II 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Da die Kindsmutter Hausfrau war, konnten zwar keine tatsächlichen Einkünfte bei der Unterhaltsberechnung herangezogen werden. Ihr war aber ein fiktives Einkommen zuzurechnen, da sie sich trotz gesteigerter Unterhaltspflicht nicht ausreichend um eine Beschäftigung bemüht hat.
Grundsätzlich muss der Unterhaltsschuldner beweisen, dass er leistungsunfähig ist und eine reale Beschäftigungsmöglichkeit für ihn nicht existiert. Das OLG war jedoch der Ansicht, dass auch ungelernte Kräfte selbst bei hohen Arbeitslosenzahlen in eine Vollzeittätigkeit vermittelt werden können. Vorliegend hat die Mutter jedoch nicht darlegen können, sich überhaupt auf eine Stelle beworben zu haben, obwohl eine reale Beschäftigungsmöglichkeit als Bürohilfe oder Reinigungskraft bestand.
Ferner hätte die Mutter das ihr fiktiv zugerechnete Einkommen als Bürokraft auch tatsächlich erzielen können. Das OLG ging davon aus, dass sie trotz gesundheitlicher Beschwerden als Bürohilfe tätig werden könne und hierfür auch keine Fahrerlaubnis benötige. Darüber hinaus hatte sie bereits Berufserfahrung als Bürokraft gesammelt und somit gute Chancen, eine vollschichtige Tätigkeit im Büro zu finden.

Gesteigerte Unterhaltspflicht entfällt nicht
Dagegen führte die Betreuung zweier ihrer drei Kinder jedoch nicht zum Entfallen der gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber ihrem ältesten Sohn. Schließlich bot die Grundschule eine Ganztagsbetreuung der zwei Kinder an, sodass deren Mutter in dieser Zeit einer Beschäftigung nachgehen könnte. Anderes gilt nur bei Vorliegen zwingender Hinderungsgründe, z. B. wenn ein Kind aufgrund einer Behinderung besonderer Zuwendung bzw. Betreuung bedarf. Ein derartiger Hinderungsgrund war im vorliegenden Fall für das Gericht aber nicht ersichtlich.
Allerdings waren der Mutter nicht auch noch fiktive Einkünfte aus einem Nebenjob zuzurechnen. Grundsätzlich kann von einem Elternteil, der gesteigert unterhaltspflichtig ist, neben einer Vollzeittätigkeit zwar auch die Aufnahme einer Nebentätigkeit verlangt werden, um zumindest den Mindestunterhalt zahlen zu können. Dies war der Kindsmutter im vorliegenden Fall aber nicht zumutbar, da sie zwei minderjährige Kinder betreute. Müsste sie nämlich auch noch eine Nebentätigkeit ausüben, könnte sie sich gar nicht mehr um zwei ihrer Kinder kümmern, um dem dritten Kind mehr Unterhalt zahlen zu können.
Übrigens: Sofern z. B. kein höherer tariflicher Mindestlohn in der jeweiligen Branche existiert, ist bei der Berechnung des fiktiven Einkommens seit Inkrafttreten des MiLoG (Mindestlohngesetz) von einem Mindestlohn in Höhe von derzeit 8,50 Euro auszugehen.
(OLG Schleswig, Beschluss v. 12.01.2015, Az.: 10 UF 171/14)

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