Unterhalt/Unterhaltsrecht

Umzugspflicht bei gesteigerter Unterhaltspflicht?

Umzugsflicht bei Unterhaltspflicht
Bild: © www.BillionPhotos.com / shutterstock.com
Umzugsflicht bei Unterhaltspflicht
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Den barunterhaltspflichtigen Elternteil minderjähriger Kinder trifft eine sog. gesteigerte Unterhaltspflicht – er muss alles ihm Mögliche tun, um seinem Nachwuchs wenigstens den Mindestunterhalt zahlen zu können. Sofern der Barunterhaltspflichtige jedoch einer – seiner Ausbildung entsprechenden – Vollzeittätigkeit nachgeht, stellt sich unter anderem die Frage, ob von ihm ein Wohnungswechsel verlangt werden kann, um die Fahrtkosten für den Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnsitz zu verringern – und damit wiederum das Einkommen zu erhöhen.

Lange Arbeitswege – hohe Fahrtkosten
Der Vater einer minderjährigen Tochter hatte eine Ausbildung zum Holzfachwerker erfolgreich absolviert und bereits Tätigkeiten z. B. als Estrichleger, Küchenmonteur und Tischler ausgeübt.

Er konnte zwar nirgends längerfristig beschäftigt werden, fand jedoch – aufgrund erheblicher Bewerbungsbemühungen – stets relativ schnell eine neue Anstellung. Allerdings war es ihm nicht möglich, in der Nähe seines Wohnsitzes eine Beschäftigung zu finden – er musste vielmehr bis zu 60 km Arbeitsweg in Kauf nehmen. Dabei entstanden ihm regelmäßig erhebliche Fahrtkosten.

Als seine Tochter Unterhalt verlangte, erklärte der Beschäftigte, nicht leistungsfähig zu sein. Er habe schließlich nur ein Durchschnitts-Netto-Einkommen von ca. 1200 Euro, von dem er unter anderem die hohen Fahrtkosten abziehen müsse. Damit liege sein Netto-Einkommen unterhalb des notwendigen Selbstbehalts. Er könne die Fahrtkosten auch nicht verringern, indem er statt seines Pkw öffentliche Verkehrsmittel nutzt – schließlich müsse er bereits zwischen 6:30 Uhr und 7:00 Uhr die Arbeit aufnehmen. Um diese Uhrzeit komme er mit öffentlichen Verkehrsmitteln niemals rechtzeitig im Betrieb an. Ein Umzug in die Nähe seiner Arbeit würde dagegen den Umgang mit seiner Tochter noch stärker einschränken. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.

Wohnungswechsel nicht zumutbar
Das Oberlandesgericht (OLG) Rostock war der Ansicht, dass der Vater mangels Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt zahlen muss.

Da die kleine Tochter bei der Mutter lebt und von ihr versorgt wird, wäre der Vater eigentlich barunterhaltspflichtig. Hinzu kommt, dass sein Kind minderjährig ist, weshalb er alles ihm Mögliche tun muss, um den Mindestunterhalt sicherzustellen. In diesem Zusammenhang ist jedoch stets zu berücksichtigen, dass auch dem Barunterhaltspflichtigen ein gewisser Betrag zum Leben zusteht, sog. notwendiger Selbstbehalt. Nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand 01.01.2015) beträgt dieser für berufstätige Elternteile von minderjährigen Kindern derzeit 1080 Euro. Liegt also das Netto-Einkommen des Barunterhaltspflichtigen samt Abzug der berufsbedingten Aufwendungen darunter, ist er nicht leistungsfähig, sodass seine Zahlungspflicht entfällt, vgl. § 1603 I Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

In diesem Fall lag das Netto-Einkommen des Vaters deutlich unter dem notwendigen Selbstbehalt. Grund waren vor allem die enormen Fahrtkosten – die konnte er allerdings nicht vermeiden. Das Gericht befand, dass er aufgrund des frühen Arbeitsbeginns nicht von seinem Kfz auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen könne. Im besten Falle käme noch Carsharing in Betracht. Auch lehnte das Gericht die Zurechnung eines fiktiven Einkommens ab. Das wäre nur möglich gewesen, wenn der Unterhaltspflichtige seine gesteigerte Erwerbspflicht gemäß § 1603 II BGB verletzt hätte, indem er z. B. keine Bewerbungen verschickt. Vorliegend war der Vater zwar immer wieder arbeitslos – er konnte dann aber aufgrund seiner Bewerbungsbemühungen relativ kurzfristig wieder eine ausbildungsgerechte Anstellung in Vollzeit finden. Dass ihm dabei hohe Fahrtkosten entstanden, werteten die Richter nicht zu seinem Nachteil.

Schließlich gingen sie davon aus, dass der Vater in unmittelbarer Nähe zu seinem Wohnsitz tatsächlich keine Beschäftigung finden konnte. Ein Umzug jedoch war dem Vater – vorerst – nicht zumutbar. Dieser hätte nämlich ebenfalls erhebliche Kosten nach sich gezogen. Ein Umzug komme vielmehr erst in Betracht, wenn dem Unterhaltspflichtigen der Arbeitsplatz sicher ist – er also nach Ablauf der Probezeit übernommen wird.

Nebentätigkeit verhindert Umgang
Ferner musste sich der Vater keine fiktiven Einkünfte aus einer Nebentätigkeit zurechnen lassen. Schließlich hätte ihn die Aufnahme einer Nebentätigkeit zu stark belastet. So war er ausbildungsgerecht in Vollzeit tätig und musste von Montag bis Freitag zweimal täglich einen Arbeitsweg von bis zu 60 Kilometer in seiner Freizeit zurücklegen, weshalb ihm eine Nebentätigkeit am Abend nicht zumutbar war. Am Wochenende hätte eine Nebentätigkeit den Umgang mit seiner kleinen Tochter verhindert und ohnehin nur den notwendigen Selbstbehalt des Vaters gesichert.

Lebensstellung der Eltern maßgeblich
Letztendlich wies das Gericht darauf hin, dass sich die Lebensstellung der Kinder von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen ihrer Eltern ableitet. Fehlt denen das nötige Geld bzw. Vermögen, muss ihr Nachwuchs grundsätzlich damit leben.
(OLG Rostock, Beschluss v. 05.02.2015, Az.: 11 UF 138/13)

Autorenprofil

Sandra-Voigt-Assessorin

Sandra Voigt
Assessorin, Redakteurin

Juristische Redaktion
anwalt.de – service AG

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