Unterhalt/Unterhaltsrecht Urteile Archiv

10 UF 180/14 – Erzielbares oder reales Einkommen entscheidend?

Scheidungskosten und Steuer
Bild: © scanrail / depositphotos.com
Scheidungskosten und Steuer
Bild: © scanrail / depositphotos.com

Unterhalt: Erzielbares oder reales Einkommen entscheidend?
Lebt ein Kind mit den Eltern in einem Haushalt, decken diese gemeinsam den Bedarf ihres Sprösslings. Lebt jedoch ein Elternteil getrennt vom Kind, muss er den sog. Barunterhalt leisten. Voraussetzung ist allerdings, dass der Unterhaltspflichtige unter anderem leistungsfähig ist. Fehlende Erwerbsbemühungen oder die Behauptung, es gebe keine realen Beschäftigungsmöglichkeiten, führen jedoch nicht zur Leistungsunfähigkeit, sondern vielmehr zur Anrechnung eines fiktiven Einkommens.

Vater will keinen Unterhalt zahlen
Nach der Scheidung eines Ehepaares blieb dessen gemeinsame minderjährige Tochter bei der Mutter wohnen. Als die Tochter Kindesunterhalt von ihrem 35-jährigen Vater verlangte, verweigerte der unter Verweis auf seine Leistungsunfähigkeit jede Zahlung. Er habe zwar einen Führerschein, aber keine abgeschlossene Ausbildung, weshalb es für ihn auf dem Arbeitsmarkt keine realen Beschäftigungsmöglichkeiten gebe. Außerdem lebe er seit Aufgabe seiner Selbstständigkeit von Hartz IV. Darüber hinaus habe er mit seiner neuen Lebensgefährtin noch ein Kind bekommen und daher kein Geld, um seiner Tochter Unterhalt zu zahlen.

Beim Unterhalt ist auf erzielbares Einkommen abzustellen
Das Oberlandesgericht (OLG) Celle verpflichtete den Vater zur Zahlung von Unterhalt. Da seine Tochter noch minderjährig und unverheiratet ist, trifft ihn nach § 1603 II BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) die sog. gesteigerte Unterhaltspflicht. Ein Unterhaltspflichtiger muss danach alles ihm Mögliche tun, um seinem Kind wenigstens den Mindestunterhalt zu ermöglichen, indem er z. B. einen weiteren Job annimmt oder bezahlte Überstunden leistet.
Anderenfalls wird dem in Anspruch genommenen Elternteil ein sog. fiktives Einkommen angerechnet, das sich daran orientiert, wie viel er theoretisch verdienen könnte, sog. erzielbares Einkommen. Das tatsächliche Einkommen bleibt dagegen außer Betracht. Beruft sich der Unterhaltspflichtige dennoch auf Leistungsunfähigkeit, muss er vor Gericht nachweisen, dass es für ihn trotz nachhaltiger Erwerbsbemühungen keine (weiteren) Beschäftigungsmöglichkeiten am Arbeitsmarkt gibt.
Für das OLG Celle war jedoch nicht ersichtlich, warum ein gesunder Mann mittleren Alters auch als ungelernte Kraft keine Arbeit finden sollte. Da der Vater einmal als selbstständiger Gebäudereiniger tätig gewesen war, ist davon auszugehen, dass er eine abhängige Vollzeitstelle in demselben Bereich aufnehmen könnte. Ferner besitzt er einen Führerschein, weshalb es ihm unter anderem auch möglich wäre, z. B. eine Tätigkeit als Helfer im Bauhauptgewerbe aufzunehmen. Im Internet jedenfalls – so das Gericht – würden regelmäßig Bauhelfer gesucht.
Der Unterhaltspflichtige habe sich daher nicht ausreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht – und vor Gericht auch nichts Gegenteiliges dargelegt –, sodass ihm ein fiktives Einkommen anzurechnen war, auf dessen Basis der Unterhalt für seine Tochter berechnet wurde. (OLG Celle, Beschluss v. 22.08.2014, Az.: 10 UF 180/14)

Übrigens: Hat sich ein Unterhaltspflichtiger zunächst in einer Jugendamtsurkunde zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet, so endet die Barunterhaltspflicht jedoch, wenn er die Kindsmutter danach heiratet und jahrelang mit seiner Familie zusammenlebt. Schließlich schuldet der Unterhaltspflichtige dann den sog. Familienunterhalt, vgl. §§ 1360, 1360a BGB. Trennt sich das Ehepaar später, so lebt der ursprüngliche Anspruch auf Barunterhalt aus der Jugendamtsurkunde nicht wieder auf – nötig ist dann vielmehr eine Neutitulierung (OLG Celle, Beschluss v. 18.08.2014, Az.: 10 WF 50/14).

Autorenprofil

Sandra-Voigt-Assessorin

Sandra Voigt
Assessorin, Redakteurin

Juristische Redaktion
anwalt.de services AG

[rwp-review id=“0″]

Bitte beachten!

All unsere Angaben sind ohne Gewähr und können nicht immer aktuell sein. Bitte wenden Sie sich immer zuerst direkt auf der offiziellen Website des jeweiligen Jugendamtes an die gewünschte Stelle.
Vielen Dank! Bitte schreiben Sie uns nicht hier auf Jugendaemter.com an. Diese Emails werden i.d.R. nicht vom Service bearbeitet.

Wer ist zuständig?

wer ist im Jugendamt zuständig Jugendaemter.com

Unterhaltsvorschuss

Sollten Sie alleinerziehend sein und keinen oder unregelmäßigen Unterhalt erhalten, kann ein Unterhaltsvorschuss beantragt werden.
Bis zum vollendeten 18. Lebensjahr besteht unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf einen Vorschuss.
_________________

Beistandschaft | Vaterschaftsfeststellung | Amtsvormundschaften | Unterhalt

Sie können bei Ihrem Jugendamt eine Beistandschaft beantragen. Dies unterstützt Sie sowohl bei der Feststellung einer Vaterschaft, als auch bei der Geltendmachung des Unterhalts.
_________________

Jugendarbeit | erzieherischer Kinder- und Jugendschutz

Sollten Sie Probleme zu den Themen Jugendmedienschutz, Medienpädagogik, Prävention sexueller Gewalt, Jugendkriminalität (Gewaltprävention), Suchtprävention, Sekten und beeinflussende Gruppierungen.
_________________

Wirtschaftliche Jugendhilfe

Dies betrifft Eltern, die Unterstützung für die Erziehung ihres Kindes benötigen. Hilfe kann sowohl in stationärer, teilstationärer und ambulanter Form erfolgen.

Schwerpunkte dieser Themen sind Kindertagespflege, Vollzeitpflege, Sonderaufwendungen in Jugendhilfeeinrichtungen, örtliche Zuständigkeit sowie Kostenerstattung und Kostenbeteiligung.
_________________

Adoptionsvermittlungsstelle | Pflegekinderdienst

Hier dreht es sich nicht nur um die Aufnahme von Adoptiv-Pflegekindern, sondern auch um den kompletten Bereich rund um Pflegekinder.
_________________

Elterngeld

Die einkommensunabhängige Leistung für Familien soll nach der Geburt eines Kindes finanziell unterstützen. Elterngeld wird aus diversen Bedingungen errechnet und kann vielen Betroffenen helfen.